Predigt von Susanne Andrea Birke bei der Eucharistiefeier des Global Network of Rainbow Catholics in der Bürgersaalkirche, München (2. Dez. 2017)
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Höre die gerechte Sache. Ich glaube, wir wissen alle, was es bedeutet, wenn einem kein Gehör geschenkt wird. Wenn man immer und immer wieder darum bitten muss, vorsprechen zu dürfen und keine Reaktion bekommt, ja manchmal noch nicht einmal der Hauch einer Chance besteht, dass diejenigen, die an der Macht sind, einem zuhören. So ist es mir nicht nur einmal auf den oberen Hierarchieebenen der katholischen Kirche ergangen. Ich gesellte mich zu einer Gruppe, die hauptsächlich aus Frauen bestand, die auf der letzten Etappe ihrer Pilgerreise von St. Gallen nach Rom war, um dort eine Petition vorzutragen. In dieser Petition forderten sie, dass keine der zukünftigen Entscheidungen über Frauen ohne die Beteiligung von Frauen an dieser Debatte und Entscheidung gefällt würde. Es fand sich nicht ein einziger Offizieller des Vatikans, der bereit gewesen wäre, die Gruppe von über 400 Frauen und Männer zu empfangen. Da half es auch nicht, dass drei Bischöfe und ein Abt mit uns Eucharistie feierten. Die gleiche Erfahrung habe ich auf lokaler Ebene gemacht: der Bischof meiner Heimatdiozöse, die Diozöse von Chur, hält es nicht für notwendig, Vertreter*innen der Gruppe der Regenbogen-Christ*innen zu treffen.
Das Schweigen über die Kriminalisierung von gleichgeschlechtlicher Liebe und Sexualität und das Schweigen über die schrecklichen Gewaltexzesse gegenüber Vertreter*innen dieser Gruppe in der ganzen Welt trifft mich noch härter. Es bricht mir das Herz – immer und immer wieder – wenn ich daran denke, dass jene, denen ich mich innerlich verbunden fühle, alltäglich lebensbedrohlichen Situationen ausgesetzt sind. Dieses Schweigen ist grausam und aus meiner Sicht sündiges Verhalten. Und glaubt mir, als Theologin und Pastoralreferentin benutze ich das Wort „Sünde“ äußerst selten.
Diese Erlebnisse brachten mich dazu, über diese Erfahrung der Nichtbeachtung eingehender nachzudenken. Und mir kam die Geschichte der namenlosen griechischen Frau in den Sinn. Es ist die einzige Bibelgeschichte, in der Jesus dazu überredet werden musste, zu helfen. Zunächst ignorierte Jesus ihr Anliegen. Sie bat ihn, ihre Tochter zu heilen, während er gerade dabei war, der Menschenmenge zu entkommen, die ihm ständig folgte. Er reagierte zunächst schroff, ja er beleidigte sie sogar, indem er sie und ihre Tochter mit Hunden vergleicht. Sie lässt sich davon nicht beirren, verwendet stattdessen sogar sein Argument gegen ihn und gewinnt ihn für ihr Anliegen.
Indem sie diesen Sinneswandel bei Jesus bewirkt, schafft sie es nicht nur, das Schicksal ihrer Tochter zu wenden, sondern sie war zudem imstande, Jesus dazu zu bringen, über seinen eigenen Horizont zu schauen. Hier erleben wir eine Frau, die erfolgreich für die Inklusion und Gleichberechtigung ihrer Tochter kämpft. Wir sehen einen Jesus, der bereit ist, seine Entscheidung zu revidieren aufgrund der Bitte einer Frau.
Wenn selbst Jesus in der Lage gewesen ist, seine Meinung zu ändern und jemanden mit einzubeziehen, den/die er vorher ignoriert hat, dann sehe ich keinen Grund, warum die Kirche nicht auch in der Lage sein sollte, dies zu tun. Wir werden auch in Zukunft immer wieder die Kirche daran erinnern und die Inklusion von uns allen beständig einfordern. Uns ist ebenfalls ein Leben in Fülle versprochen worden. Unsere Kirche muss sich für uns einsetzen und dafür Sorge tragen, dass die Sicherheit eines jedes Einzelnen von uns gewährleistet ist, dass niemand von uns um ihr oder sein Wohl, ja gar das eigene Leben fürchten muss. Als Freundin und ehemalige Partnerin einer Frau aus Jamaica kann ich dazu auf keinen Fall schweigen.
Die Phasen der Angst bei ihr mitzuerleben, die sie durchlitt, als sie noch in ihrem Heimatland war, dann zu sehen, wie sie es verlassen musste – dies hat mich schon damals traurig und wütend gemacht. Und jetzt erleben zu müssen, dass sie trotz ihres Weggangs auch in den USA nicht sicher ist, fühlt sich genauso schlimm an. Zu hören, dass sie auf Arbeit ausgenutzt und missbraucht wird, lässt mich wieder einmal mit Gefühlen der Hilflosigkeit, der Trauer und Wut zurück.
In all diesen Situationen ist es von enormer Bedeutung, eine Gemeinschaft zu finden. Mich erfreut es immer wieder zutiefst, wenn ich sehe, wie Regenbogengemeinschaften das Leben und die Liebe feiern inmitten von Gewalt und Erniedrigung. Sie leugnen dabei nicht den Schmerz, doch vergessen sie auch nicht, welche Gaben wir erhalten haben. Wir sind hier zusammen, wir arbeiten, wir feiern, wir beten, wir diskutieren, wir teilen Freud und Leid miteinander, und haben Spaß in einer relativ sicheren Umgebung. Manchmal hören wir uns sogar zu. Wir stärken uns gegenseitig durch unser Dasein, geben uns gegenseitig neue Hoffnung. Wir spüren, dass das Versprechen des Advents real wird. Der Lebendige ist mitten unter uns. Und auf diese Weise sind wir Kirche, wir folgen den Lehren Jesu und warten dennoch darauf, dass das Versprechen des Advents für uns auch innerhalb der katholischen Kirche zur gelebten Wirklichkeit wird.
Doch manchmal fordern wir uns auch gegenseitig heraus. Bei dem Spruch „Höre die gerechte Sache!“ geht es nicht nur um die Vertreter*innen in der Hierarchie der römisch-katholischen Kirche, sondern dieser Spruch betrifft auch uns. Ja, wir teilen eine Menge von Erfahrungen, jedoch haben wir in ganz unterschiedlichem Maße mit Widrigkeiten zu leben. Es muss uns gelingen, dass wir die gerechten Anliegen innerhalb unserer eigenen Community hören. Dies kann schmerzhaft sein, dennoch ist es wichtig. Ihr habt gehört, wie ich mich selbst gegen die Diskriminierungen, die ich erfahren habe, zur Wehr setze. Gleichzeitig habe ich eine ganze Menge von den Menschen um mich herum gelernt. Meine Exfrau und Freundin hat mich gelehrt, die Welt durch andere Augen zu sehen. Ich habe dabei die Erfahrung von Machtlosigkeit in einem vorher nie gekannten Ausmaß gemacht. Nicht in der Lage zu sein, rassistische Diskriminierung und Willkür seitens der deutschen Grenzpolizei verhindern zu können, war eine dieser Erfahrungen. Es sind Situationen wie diese, die mich erahnen ließen, was es heißen muss, diese Erfahrungen täglich erleiden zu müssen. Mitunter war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich dachte, dass ich das nicht länger ertragen könne. Und zugleich war ich mir darüber sehr im Klaren, dass ich eine Wahl hatte in diesen Situationen, ob ich mich dem stellen möchte oder nicht, wohingegen meine Exfrau diese Wahl nie hat.
Aber sie war es auch, die mir im Gespräch über diese Themen dazu verhalf, mehr zu sehen. Obwohl wir üblicherweise uns in der Rolle der Frau wiederfinden, die mit Jesus streitet, sind wir manchmal auch in der Rolle der Jünger, die versuchen, sie abzuwimmeln. Oder wir finden uns in der Rolle des unwilligen Jesus wieder, der sich das nicht anhören möchte, was die Frau zu sagen hat, da er meinte, es sei nicht seine Angelegenheit. Manchmal erschlägt uns die Fülle der Aufgaben, mit denen wir uns konfrontiert sehen. Dann sehnen wir uns nach nichts mehr als einer Pause. Manchmal fragen wir uns, warum wir uns das angelegen sein lassen sollen. Wir denken uns, dass dieses oder jenes kein Problem ist, um das wir uns kümmern sollten oder das es nicht wichtig sei. Aber wenn wir eine Gemeinschaft bilden wollen, die von der gegenseitigen Unterstützung durch die anderen lebt, dann müssen wir der Tatsache aufrichtig ins Auge sehen, dass es unter uns Menschen gibt, die verwundbarer und in unheilvolleren Umständen leben als andere. Transfrauen of Colour sind noch größeren Gefahren ausgesetzt als dies Transfrauen im Allgemeinen ohnehin schon sind. Sexuelle Belästigung oder das Leben als Migrant mag auf den ersten Blick nichts mit den Themen eines Netzwerkes zu tun haben, dass sich mit LGBTIQ+-Angelegenheiten befasst. Ich denke, dass dies ebenso gerechte Sachen seien können, denen wir unser Gehör schenken und mit denen wir uns auseinandersetzen.
Ich bin all jenen zutiefst dankbar für die Arbeit, die von uns allen geleistet wird, in dem Bestreben, einen gemeinsamen Weg zu finden. Dankbar für alle Verbündeten und die Unterstützung, die wir erhalten. Dankbar dafür, dass wir zusammengekommen sind, um einander zuzuhören und uns offen miteinander auszutauschen, um damit einen neuen Weg zu beschreiten Gottes versprochene Herrschaft Wirklichkeit werden zu lassen.
So hören wir gemeinsam noch einmal die Worte des Paulus aus dem Jahr 54, die er an die Gemeinde in Korinth richtet. In seinem Brief spricht Paulus über die Gemeinde und dass die Menschen, die ihr angehören, heilig sind, weil sie alle zusammen den Leid des Herrn bilden. Diese Worte gelten auch für uns. Für uns, die wir hier zusammengetreten sind, in diesem Gottesdienst, die Versammlung des GNCR und den Gemeinden, aus denen wir kommen.
Ich danke meinem Gott stets dafür, dass es euch gibt, dafür dass seine Gnade in Jesus Christus an euch weitergeben wurde. Denn durch ihn sind wir um so viel reicher geworden in jeglicher Hinsicht – mit allen Mitteln der Sprache und mit all dem Wissen – bestätigt Gott unser Zeugnis über Christus, dass er unter uns ist. Deshalb fehlt es uns an nichts, wenn wir sehnlichst darauf warten, dass Jesus Christus sich uns offenbart.
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